Auch Ständerat sieht Handlungsbedarf21.03.2022: Tabellenlöhne
Personen mit tiefen Einkommen zahlen wie alle Beiträge an die Invalidenversicherung. Sie werden heute aber oft um eine Rente oder Umschulung gebracht. Dies weil die IV davon ausgeht, dass sie mit ihrer Behinderung ein unrealistisch hohes Einkommen erzielen können.
Dieses sogenannte Invalideneinkommen ermittelt die IV in den allermeisten Fällen gestützt auf statistische Tabellenlöhne (LSE-Tabellen). Trotz grosser Kritik der Behindertenverbände und der Wissenschaft an diesen für Menschen mit Behinderungen unrealistischen LSE-Tabellen sowie auf dem Tisch liegenden Lösungsvorschlägen hat der Bundesrat bisher nicht gehandelt. In einer öffentlichen Sitzung des Bundesgerichts vom 9. März 2022 wurden die angewandten Lohnstatistiken kritisiert. Es sei jedoch nicht am Bundesgericht, dies zu korrigieren, sondern dies sei Aufgabe des Bundesamtes für Sozialversicherungen. In seinem Urteil vom 9. März 2022 (8C_256/2021, am 21. März 2022 noch nicht veröffentlicht) hielt das Bundesgericht deshalb an den LSE-Tabellen fest.
Letzte Woche hat der Ständerat anlässlich der Interpellation Germann 21.4522 über die stossende Praxis der Invaliditätsberechnung mittels Tabellenlöhnen diskutiert. Über die Parteigrenzen hinweg äusserten verschiedenste Ständerätinnen und Ständeräte, dass Handlungsbedarf besteht. Nun will auch die Sozialkommission des Ständerates sich dem Problem annehmen. Der Bundesrat hingegen spielt weiterhin auf Zeit. Er will vorerst nichts ändern und stellt Anpassungsvorschläge frühestens 2025 in Aussicht. Auch der Nationalrat befasst sich schon länger mit dem Thema. Seine Sozialkommission will schon im April das Thema wieder aufs Tapet und den Bundesrat zum Handeln bringen. Die Behindertenverbände werden sich weiterhin hartnäckig für eine fairere Rentenpraxis einsetzen.