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Handicap und Politik 02/2024

Handicap und Politik 02/2024

Betreff: In Handicap und Politik 02/2024: Ausblick auf die Sommersession, eingereichte Vernehmlassungsantworten, der Endspurt bei der Inklusions-Initiative und ein Etappensieg in einem Fall des Projekts «we claim» (externer Link).


Ausblick auf die Sommersession: Nationalrat

Heizkosten bei EL vollständig berücksichtigen

Ab 27. Mai 2024; pa. Iv. Töngi 22.443: Die parlamentarische Initiative fordert, das Ergänzungsleistungsgesetz dahingehend zu ändern, dass Nachforderungen im Rahmen der Nebenkostenabrechnung durch die Ergänzungsleistungen (EL) übernommen werden. Auch im kommenden Winter besteht auf Grund der aktuellen weltpolitischen Situation die Gefahr, dass die Heizkosten stark ansteigen und für Mieter:innen hohe Nachforderungen fällig werden. Diese sind heute nicht durch die EL gedeckt, da bei der Berechnung der EL nur die Akonto-Zahlungen berücksichtigt werden. Dementsprechend stieg die Zahl der Anfragen um finanzielle Unterstützung, zum Beispiel bei Pro Infirmis, im Jahr 2023 stark an. Inclusion Handicap empfiehlt dem Nationalrat, der parlamentarischen Initiative zuzustimmen.


Keine Sterilisation ohne Zustimmung

30. Mai 2024; Mo. Fehlmann Rielle 22.4385: Die Sterilisation von Menschen mit Behinderungen ohne deren Zustimmung verstösst gemäss Uno-Behindertenrechtsausschuss gegen das Recht auf physische und psychische Unversehrtheit (Art. 17 Behindertenrechtskonvention). Mit der Motion wird der Bundesrat aufgefordert, das Sterilisationsgesetz so zu ändern, dass die betroffene Person als Voraussetzung für eine Sterilisation frei und nach umfassender Aufklärung zugestimmt haben muss. Der Bundesrat hat die nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben. Dies ist zu begrüssen. Die Stellungnahme soll in den weiteren Prozess der Umsetzung der Motion integriert werden. Inclusion Handicap fordert den Nationalrat auf, mit der Annahme der Motion 22.4385 den Prozess nun anzustossen.


Rechtsgrundlagen mit der Behindertenrechtskonvention harmonisieren

30. Mai 2024; Postulat Suter 22.3815: In seinen Empfehlungen zuhanden der Schweiz zeigt sich der UNO-Behindertenrechtsausschuss über die mangelhafte Harmonisierung der Schweizer Rechtsgrundlagen mit der Behindertenrechtskonvention (BRK) besorgt. Weiterhin liegt jedoch kein umfassender Plan vor, wie die Schweizer Rechtsgrundlagen mit der BRK in Einklang gebracht werden können. Das Postulat fordert eine Darstellung der notwendigen Anpassungen sowie die Entwicklung eines Prüfverfahrens, mit dem die Vereinbarkeit unserer Rechtsgrundlagen mit dem Behindertengleichstellungsrecht kontinuierlich gewährleistet werden kann. Die Schwerpunktprogramme des Bundes zur Behindertenpolitik und die vorgeschlagene Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes stellen keine Gesamtschau des Handlungsbedarfs auf Gesetzes- und Verordnungsebene in diesem Sinne dar. Inclusion Handicap empfiehlt dem Nationalrat deshalb, das Postulat zu überweisen. 


Export von IV-Renten: Gleichbehandlung gefordert

30. Mai 2024 oder 12. Juni 2024; Motion Gysi 22.4480: Heute können sogenannte ausserordentliche Renten von Personen, die mit einem Geburtsgebrechen auf die Welt gekommen sind, nicht ins Ausland exportiert werden. Dies im Gegensatz zur grundsätzlichen Exportmöglichkeit von ordentlichen IV-Renten. Faktisch können sich Personen mit einer ausserordentlichen Rente deshalb nicht im Ausland niederlassen, wenn sie ihre Rente nicht verlieren wollen. Für viele Betroffene ist diese unnötige Schlechterstellung gegenüber der ordentlichen IV-Rente unverständlich. Die Motion 22.4480 will den Bundesrat beauftragen, dies zu ändern. Inclusion Handicap befürwortet die Motion.


Ausblick auf die Sommersession: Ständerat

Barrierefreie Live-Streams der Parlamentsdebatten gewährleisten

28. Mai 2024; pa.Iv. Suter 20.505: Der Ständerat entscheidet als Zweitrat über den Entwurf zur parlamentarischen Initiative von Gabriela Suter (SP/AG). Die parlamentarische Initiative verlangt die Schaffung einer rechtlichen Grundlage, um die Barrierefreiheit des Live-Streams der Parlamentsdebatten im National- und Ständerat zu gewährleisten. Der Live-Stream soll insbesondere mit Untertiteln versehen werden, damit auch gehörlose und hörbehinderte Menschen diese mitverfolgen können. Inclusion Handicap empfiehlt dem Ständerat, dem Nationalrat zu folgen und den Entwurf zu diesem wichtigen Geschäft anzunehmen.


Obligatorium bei Krankentaggeldversicherung dringend notwendig

4. Juni 2024; Po-SGK-S 24.3465: Das Kommissionspostulat will den Bundesrat beauftragen, aktuelle Probleme und verschiedene Lösungsmöglichkeiten für eine verbesserte Abdeckung der Lohnfortzahlungsrisiken im Krankheitsfall aufzuzeigen und diese hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile zu vergleichen. Aus Sicht von Inclusion Handicap stellt die fehlende obligatorische Krankentaggeldversicherung eine problematische Lücke im sozialen Netz dar. Menschen mit einer Vorerkrankung wird dadurch der Einstieg oder Verbleib im Arbeitsmarkt erschwert. Dies durch drohende Prämienerhöhungen, Vorbehalte bei der Aufnahme in den Versichertenkreis oder gar Schwierigkeiten für Arbeitgebende, gewisse Arbeitnehmende überhaupt versichern zu können. Inclusion Handicap unterstützt deshalb das Schaffen einer obligatorischen Krankentaggeldversicherung, wie sie die Motion 21.4209 fordert. Dazu konnte sich die Kommission des Ständerats leider (noch) nicht durchringen. Sie will nun aber im Rahmen des Postulats offene Fragen klären. Inclusion Handicap begrüsst dies, unterstützt das Postulat und ist überzeugt, dass es ein Obligatorium bei der Krankentaggeldversicherung braucht.


Gleichstellung

Etappensieg in Fall des Projekts «we claim»

Anfang Mai hat der Fall von Marion Vassaux für ein grosses mediales Echo gesorgt. Am 07.05.2024 hat das Bundesgericht die Beschwerde der jungen Frau mit Dyslexie gegen die Universität Bern gutgeheissen. Die Universität Bern hatte Marion Vassaux beim Eignungstest (Numerus clausus) für das Studium der Veterinärmedizin einen Zeitzuschlag verweigert. Dagegen wehrte sie sich mit der Unterstützung von Inclusion Handicap bis vor Bundesgericht – mit Erfolg.

Marion Vassaux’ Fall ist einer der ersten großen Fälle des Projekts «we claim», das von Inclusion Handicap und seinen Mitgliedern getragen wird. Ziel des Projekts ist es, Menschen mit Behinderungen durch strategische Prozessführung zu ihrem Recht zu verhelfen und jeweils die Lebensumstände von möglichst vielen betroffenen Personen zu verbessern. Inclusion Handicap freut sich, dass Anfang Mai nun auch die neue Projektwebsite livegeschaltet werden konnte. Weitere Informationen finden Sie unter www.we-claim.ch (externer Link).


Gleichstellungstagung 2024: Wo steht die Schweiz bei den Behindertenrechten?

Mit der Inklusions-Initiative verfolgen die Behindertenverbände in Zusammenarbeit mit Vertreter:innen der Zivilgesellschaft ein Grossprojekt, das der Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen einen kräftigen Schub verleihen wird. Dies ist auch notwendig, denn die Revision des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) zeigt, dass sich Bund und Verbände bei der konkreten Umsetzung der Behindertenrechte noch nicht einig sind. Vor diesem Hintergrund thematisiert die diesjährige Gleichstellungstagung der Universität Basel, des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB und Inclusion Handicap aktuelle Entwicklungen zur Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Neben einem vergleichenden Blick der Bundesverwaltung bzw. von Inclusion Handicap auf die BehiG-Revision, werden aktuelle Entwicklungen in den Kantonen, die 2023 geschaffene Schweizerische Menschenrechtsinstitution sowie das Projekt der strategischen Prozessführung «we-claim» (externer Link) von Inclusion Handicap vorgestellt.


Sozialversicherungen

Nationalrätliche Sozialkommission sieht Bedarf für 13. IV-Rente und Verbesserungen bei Festlegung der Erwerbsfähigkeit

Nach dem klaren Volksentscheid für eine 13. AHV-Rente hat sich die Sozialkommission des Nationalrats am 03.05.2024 für eine 13. IV-Rente ausgesprochen. Rund die Hälfte der IV-Rentner:innen ist auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Ihr Bedarf nach einer 13. IV-Rente ist also klar ausgewiesen. Die erste Säule der Existenzsicherung wurde bisher zurecht als Einheit behandelt. Deshalb ist es folgerichtig, dass neben den Altersrenten auch die Invalidenrenten 13-mal ausbezahlt werden. Inclusion Handicap ist erfreut, dass die Kommission eine Benachteiligung von IV-Rentner:innen verhindern will (siehe auch Medienmitteilung Inclusion Handicap).

Gleichzeitig hat die Sozialkommission auch Verbesserungen bei der Festlegung der Rest-Erwerbsfähigkeit im IV-Verfahren beschlossen: Mit Annahme der parlamentarischen Initiative 23.448 (externer Link) will die Kommission, dass die realen Beschäftigungsmöglichkeiten von Personen mit einer gesundheitlichen Einschränkung bei der Festlegung des Invaliditätsgrades stärker berücksichtigt werden. Heute wird zu stark von einem fiktiven ausgeglichenen Arbeitsmarkt ausgegangen und so die Erwerbsfähigkeit oft zu hoch eingestuft. Inclusion Handicap begrüsst diesen Entscheid und empfiehlt das Beiziehen aktueller wissenschaftlicher Beiträge bei der Umsetzung. Beide Geschäfte gehen nun in die ständerätliche Sozialkommission.


Steuerliche Pauschalabzüge für Menschen mit Behinderungen beibehalten

Gestützt auf das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) wurden 2005 im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) steuerliche Erleichterungen für Menschen mit Behinderungen eingeführt. Das sogenannte Kreisschreiben Nr. 11 konkretisiert diese Erleichterungen und sieht insbesondere gewisse Pauschalabzüge für Krankheits- und Unfallkosten sowie für behinderungsbedingte Kosten vor. 

Jetzt soll das Kreisschreiben der eidgenössischen Steuerverwaltung aktualisiert werden. Geplant sind unter anderem Einschränkungen bei den Pauschalabzügen. Für Inclusion Handicap ist dies nicht nachvollziehbar. In seiner Stellungnahme vom 23.4.2024 spricht sich der Dachverband daher vehement dagegen aus. Zudem hat er beantragt, an einer geplanten Anhörung vor der eidgenössischen Steuerverwaltung teilnehmen zu können. 


Bundesrat will betreutes Wohnen auch für IV-Beziehende fördern

Im Oktober 2023 hat Inclusion Handicap eine Stellungnahme zur geplanten Änderung des Ergänzungsleistungsgesetzes (ELG) eingereicht und mehrere Anliegen deponiert. Eines scheint der Bundesrat nun aufgenommen zu haben: Er hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) beauftragt, bis im Herbst 2024 eine Botschaft ans Parlament auszuarbeiten und dabei den Anspruch auf EL-Leistungen für das betreute Wohnen auch auf IV-Rentenbeziehende mit EL auszuweiten. Für Inclusion Handicap ist dies eine wichtige Kehrtwende. Ob die Botschaft auch andere vom Dachverband in seiner Stellungnahme gestellte Forderungen berücksichtigt, zeigt sich erst in einigen Monaten. Inclusion Handicap wird den parlamentarischen Prozess eng verfolgen.


Politische Vorhaben

Endspurt bei der Inklusions-Initiative

Bei der Inklusions-Initiative sind wir nun mitten im Endspurt. Bis Ende Juni wollen wir die noch fehlenden 20'000 Unterschriften sammeln. Deshalb zählt jetzt noch einmal jede Unterschrift. Am 25. Mai sowie 22. Juni 2024 finden zwei weitere nationale Sammeltage statt. Am 25. Mai organisiert der Verein für eine inklusive Schweiz eine Standaktion auf dem Zentralplatz in Biel. Inclusion Handicap ist von 09.00 bis 17.00 Uhr vor Ort. Danach findet noch eine grosse inklusive Aktion von Amnesty International Schweiz auf der Esplanade (200 Meter vom Zentralplatz entfernt) statt. Es lohnt sich also nach Biel zu kommen. Weitere Aktionen und Sammelstandorte finden sich in der Agenda der Inklusions-Initiative.


BEHIG-Revision: Inclusion Handicap fordert umfassende Erweiterungen

Im März hat Inclusion Handicap seine dezidierte Stellungnahme zur Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes eingereicht und darin substanzielle Erweiterungen gefordert. Ohne diese schafft der Entwurf des Bundesrats keine Grundlage dafür, dass sich der Lebensalltag von Menschen mit Behinderungen tatsächlich verbessert. Bisher wurden die Menschen mit Behinderungen und ihre Verbände ungenügend in die Revision miteinbezogen. Dies gilt es nun zu korrigieren und die Stimmen der 1.7 Millionen Menschen mit Behinderungen in der Schweiz zu berücksichtigen. Zum Faktenblatt zur Vernehmlassungsantwort und der ausführlichen Stellungnahme finden Sie über die Medienmitteilung vom 26.03.2024.


Nationalrat spricht sich für mehr Wahlfreiheit beim Wohnen aus

Der Nationalrat spricht sich für gleiche Wahlmöglichkeiten und die dazu notwendigen Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen beim Wohnen aus. Er hat in der Frühlingssession eine Motion zur Revision des entsprechenden Rahmengesetzes IFEG mit 128 zu 52 Stimmen klar angenommen. Für Inclusion Handicap ist die Revision des IFEG eine Priorität – es braucht darin einen klaren politischen Auftrag zur Förderung des selbstbestimmten Wohnens. Die heutigen Fehlanreize müssen eliminiert werden. Das selbstbestimmte Wohnen ist ein grosses Bedürfnis und deshalb auch ein Kerninhalt der Inklusions-Initiative. Das Geschäft wird als nächstes in der ständerätlichen Sozialkommission behandelt.


ÖV

Erfolgreiche Einsprache beim Bahnhof Nidau

Zur Erschliessung des Bahnhofs Nidau waren von der Aare Seeland mobil AG (asm) beim Bahnhof Nidau (BE) ursprünglich zwei Fussgängerstreifen projektiert. Aufgrund einer Projektänderung der asm sollten diese im Oktober 2023 dann plötzlich doch nicht ausgeführt werden.

Inclusion Handicap beantragte, unterstützt von der Schweizer Fachstelle Hindernisfreie Architektur, in einer Einsprache im Dezember 2023 die Beibehaltung dieser beiden Fussgängerstreifen. Bei der Projektänderung wurden die Rechte und die Sicherheit von Menschen mit Behinderungen, vor allem von blinden Menschen, Menschen mit Sehbehinderungen sowie Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, offensichtlich zu wenig berücksichtigt. Im Januar dieses Jahres stellte das Bundesamt für Strassen (ASTRA) fest, dass die Projektänderung nicht genehmigungsfähig und die Einsprache von Inclusion Handicap gutzuheissen sei. Im März 2024 teilte die asm mit, dass sie die Fussgängerstreifen, wie in der Plangenehmigung von 2021 genehmigt, ausführen werde.


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