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Aktionsplan zur Istanbul-Konvention: Wirksamkeit in Frage gestelltVerhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen

Vor ein paar Wochen veröffentlichte der Bundesrat den Nationalen Aktionsplan (NAP) zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (Istanbul-Konvention; IK). Inclusion Handicap begrüsst den NAP IK. Allerdings teilt der Dachverband die Kritik daran, dass für dessen Umsetzung keine zusätzlichen Gelder gesprochen werden. Zudem sind die vorgesehenen Massnahmen für Menschen mit Behinderungen noch sehr vage.

Die Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der Istanbul Konvention (externer Link) (NAP IK) war bereits im Aktionsplan zur «Nationalen Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern» (externer Link) (Gleichstellungsstrategie 2030) vorgesehen. Inclusion Handicap begrüsst die Erarbeitung des NAP IK,  teilt jedoch die grundsätzliche Kritik daran, dass für dessen Umsetzung keine zusätzlichen Gelder gesprochen werden. Denn, wie das Netzwerk Istanbul-Konvention in seiner Medienmitteilung schreibt: «Massnahmen gegen Gewalt kosten.» (externer Link) Auch der Einschätzung des Netzwerks, wonach der NAP IK insgesamt lückenhaft bleibt und betreffend Systematik und konsequenter Inklusion zu wünschen übrig lässt, schliesst sich Inclusion Handicap an.

Geplante Massnahmen zu vage

Mehr Inklusion forderte der Dachverband bereits in seinem aktualisierten Schattenbericht vom Februar 2022. Weitere Forderungen an Bund und Kantone betrafen überprüfbare Massnahmen zur Prävention von Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen sowie eine Strategie, um die Beratungsstellen und Schutzunterkünfte für Gewaltbetroffene voll zugänglich zu machen, u.a. mittels Schulung der zuständigen Fachpersonen (vgl. Art. 16 BRK). Der nun veröffentlichte NAP IK enthält zwei Massnahmen mit explizitem Bezug zu Menschen mit Behinderungen:

  • Förderung einer angemessenen Information von Menschen mit Behinderungen über Gewalt sowie über Massnahmen zur Verhütung und zum Schutz von Gewalt
    (Massnahme 7)
  • Sensibilisierung und Schulung von Fachpersonen betreffend Zugänglichkeit und spezifischer Bedürfnisse von Gewaltopfern mit Behinderungen (Massnahme 21)

Die Aufnahme dieser Massnahmen in den NAP IK ist begrüssenswert. Deren Detailbeschrieb ist allerdings noch sehr unkonkret - sowohl was Zielsetzung und Inhalt als auch was Zeitplan, Indikatoren und Ressourcen betrifft. Bei beiden Massnahmen heisst es, «konkrete Vorschläge» würden erst Ende 2022 auf der Grundlage des dann erscheinenden Berichts zum Postulat Roth formuliert werden können. Das im September 2020 angenommene Postulat Roth 20.3886 (externer Link) verpflichtet den Bundesrat einerseits zu analysieren, wie stark Menschen mit Behinderungen in der Schweiz von verschiedenen Formen von Gewalt betroffen sind. Andererseits soll eruiert werden, wie Fallerfassung, Betreuung, Nachsorge und Prävention verbessert werden können. Auch der Postulatsbericht Roth wurde im Aktionsplan zur Gleichstellungsstrategie 2030 aufgeführt – ebenfalls ohne Budget.

Untersuchung zur Gewaltbetroffenheit notwendig

Immerhin hat das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB mittlerweile ein Forschungsmandat zur Zugänglichkeit bestehender Hilfsangebote vergeben. Um messbare Ziele und wirksame Massnahmen zu formulieren, bräuchte es jedoch auch die im Postulat verlangte vertiefte Untersuchung der Gewaltbetroffenheit von Menschen mit Behinderungen (Prävalenzstudie). Eine solche ist bis auf Weiteres nicht vorgesehen.

Vor diesem Hintergrund erscheint höchst unklar, inwiefern die im NAP IK formulierten Massnahmen den Schutz vor und die Prävention von Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen tatsächlich zu verbessern helfen. Inclusion Handicap wird die Entwicklungen weiterhin kritisch verfolgen.