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Nein zu willkürlicher ÜberwachungAbstimmung vom 25. November: Gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten

Inclusion Handicap sagt Nein zu den Versicherungsspionen und willkürlicher Überwachung. Deshalb lehnt der politische Dachverband die «Gesetzliche Grundlage zur Überwachung von Versicherten», die am 25. November 2018 zur Abstimmung kommt, ab. Er spricht sich dezidiert gegen Versicherungsbetrug aus. Rechtsstaatliche Prinzipien und die Grundrechte müssen jedoch eingehalten werden.

Ausgangslage

Sozialversicherungen hatten bis 2017 die Möglichkeit, selber oder mittels Privatdetektive Versicherte zu überwaschen, die verdächtigt wurden, missbräuchlich Leistungen zu beziehen. Dies war jedoch nicht rechtens: Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) hatte am 18. Oktober 2016 geurteilt, dass die Schweizer Gesetzgebung keine Grundlage hat, solche Observationen durchzuführen.

Das Parlament erarbeitete im Schnellzugstempo eine Gesetzesvorlage und verankerte die fehlende gesetzliche Grundlage im «Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)» (externer Link). Es peitschte die Vorlage in rekordverdächtigen drei Monaten durch und verabschiedet die «Gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten» (externer Link) am 16. März 2018. Eine Gruppe der Zivilgesellschaft hat das Referendum ergriffen und die nötigen Unterschriften am 5. Juli 2018 eingereicht. Die Abstimmung findet am 25. November 2018 statt. Inclusion Handicap hat das Referendum unterstützt.

Inclusion Handicap sagt nein zu Versicherungsmissbrauch und nein zu diesem Gesetz, dass eines Rechtsstaates unwürdig ist.

Die Vorlage

Da die gesetzliche Grundlage im ATSG geregelt wird, sind sämtliche Sozialversicherungen betroffen: Die AHV, die EL, die IV, die obligatorische Krankenversicherung, die Unfallversicherung, die Arbeitslosenversicherung, die Familienzulagen, die Erwerbsersatzordnung und die Militärversicherung. Somit kann potenziell die gesamte Bevölkerung observiert werden.

Die Vorlage sieht vor:

  • Versicherungen können verdeckt observieren und von der versicherten Person Bild- und Tonbandaufnahmen machen sowie technische Instrumente zur Standortbestimmung einsetzen (z.B. GPS-Tracker oder Drohnen).
  • Die Versicherung selber darf die Observation anordnen, es braucht lediglich die Zustimmung einer «Person mit Direktionsfunktion». Um technische Hilfsmittel für die Standortbestimmung zu verwenden, ist ein Gerichtsbeschluss notwendig.
  • Die Person darf zum einen in der Öffentlichkeit observiert werden. Zum anderen aber auch, wenn der Aufenthaltsort von einem öffentlichen Platz einsehbar ist (z.B. von der Strasse in den Garten, durch ein Fenster oder auf einen Balkon der eigenen Wohnung).
  • Die Observationen dürfen an 30 Tagen im Zeitraum von 6 Monaten getätigt werden. Der Zeitraum kann um ein weiteres halbes Jahr verlängert werden.

Der vollständige Gesetzestext auf der Website des Bundesamtes für Sozialversicherungen [BSV, PDF ]. (externer Link)

Angriff auf Grundrechte

Die Vorlage betrifft ALLE Sozialversicherungen und somit die gesamte Bevölkerung. Als politischer Dachverband der Behindertenorganisationen fokussiert Inclusion Handicap auf die IV-Bezügerinnen und Bezüger.

Inclusion Handicap spricht sich dezidiert gegen Versicherungsbetrug aus und ist der Ansicht, dass in Einzelfällen Observationen berechtigt sind. Der politische Dachverband befürwortet eine gesetzliche Regelung, um dieses sensible Thema nach Grundsätzen eines Rechtsstaates zu regeln. Dazu müssen jedoch einerseits die Grundrechte eingehalten und andererseits das Prinzip der Verhältnismässigkeit gewahrt werden. Die vorgesehenen Überwachungsmassnahmen sind unter keinen Umständen zu rechtfertigen. Eine erneute Rüge des EGMR ist bei einer derartigen Ausgestaltung vorprogrammiert. Die Argumente gegen diese Vorlage:

  • Die Persönlichkeitsrechte der Versicherten werden massiv eingeschränkt: So soll eine Person nicht nur dann observiert werden können, wenn sie sich an allgemein zugänglichen Orten aufhält. Vielmehr soll es auch erlaubt sein, Verdächtige in ihren privaten Räumen zu observieren, sofern diese von einem öffentlichen Ort aus einsehbar sind. Das heisst z.B., dass Privatdetektive Verdächtige von einem Trottoir aus durch ein Fenster in der eigenen Wohnung beobachten dürfen. Zum Vergleich: In der Strafverfolgung ist dies nur mit einer richterlichen Genehmigung zulässig. Weshalb das ATSG dies erlauben soll, ist nicht nachzuvollziehen.
  • Verstoss gegen rechtsstaatliche Prinzipien I: Kein Gerichtsbeschluss. Nur der Einsatz von GPS-Trackern muss von einem Gericht geprüft und genehmigt werden. Bild- und Tonbandaufzeichnungen hingegen kann eine Angestellte oder ein Angestellter mit Direktionsfunktion einer Versicherung anordnen. Ein Privatdetektiv oder eine Mitarbeiterin der Versicherung hat die Möglichkeit, in die Privatsphäre ein zugreifen. Diese Regelung ist eines Rechtsstaates nicht würdig. Da es im Strafrecht den Tatbestand des Sozialversicherungsbetrugs gibt, soll dieser wie andere Straftaten auch durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft, und nicht durch die Versicherungen – die notabene Partei ist - verfolgt werden. Ansonsten wird Sozialversicherungsbetrug stärker gewichtet als Mord oder Terrorismus!
  • Verstoss gegen rechtsstaatliche Prinzipien II – Privatdetektive sind nicht objektiv: Versicherungen haben finanzielle Eigeninteressen, Privatdetektive sind Partei! Sie werden von den Versicherungen bezahlt und verfolgen wirtschaftliche Prinzipien. Aufgrund der wirtschaftlichen Interessen, besteht die Gefahr, dass der Auftrag nach Gefallen der Versicherungen ausgeführt wird und kein Interesse an einer objektiven Aufklärung des Sachverhalts besteht. Sie haben Anreize, Observierungsmaterial manipulativ oder irreführend zusammengestellt wird.
  • In gewissen Fällen kann die Observation bis zu einem Jahr dauern. Es ist unverhältnismässig, über eine derart lange Zeit in die Privatsphäre einzugreifen.

Inclusion Handicap sagt nein zu Versicherungsmissbrauch und nein zu diesem Gesetz, dass eines Rechtsstaates unwürdig ist.


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