Weiterhin keine Priorität für BehiG-Umsetzung im ÖV Umsetzung BehiG im ÖV
Bern, 24.09.2024 - Der öffentliche Verkehr der Schweiz ist immer noch weit von der vollen Barrierefreiheit entfernt. Nun verzögert sich die Anpassung der Bahninfrastruktur an die Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) sogar noch weiter. Der Nationalrat hat in seiner gestrigen Sitzung die Aufstockung der finanziellen Mittel für die Umsetzung bereits baubereiter Projekte in der Leistungsperiode 2025-2028 abgelehnt. Alleine bei der SBB können dadurch 17 baubereite Projekte nicht umgesetzt werden. Die Politik bleibt weiterhin den Beweis schuldig, dass sie es mit der BehiG-Umsetzung im ÖV tatsächlich ernst meint.
Gemäss dem Standbericht des Bundesamts für Verkehr BAV waren Ende 2023 immer noch 540 Bahnhöfe in der Schweiz nicht autonom und spontan von Menschen mit Behinderungen benutzbar – nach Ablauf der 20-jährigen BehiG-Frist ein gesetzeswidriger Zustand. Mit dem Ziel, dass die ÖV-Unternehmen wenigstens die bereits für den Bau bereiten und für die Leistungsperiode 2025-2028 eingeplanten Projekte umsetzen können, hatte eine Minderheit der Verkehrskommission gefordert, die Mittel für den Betrieb und den Substanzerhalt der Bahninfrastruktur um CHF 500 Mio. aufzustocken. Bei seiner gestrigen Behandlung des bundesrätlichen Geschäfts 24.045 hat der Nationalrat dies jedoch abgelehnt. Eine zeitnahe Umsetzung der vollen Barrierefreiheit im Schweizer ÖV ist damit weiter nicht absehbar. Ein unhaltbarer Zustand für die betroffenen Menschen mit Behinderungen.
Verzögerung selbst bei baubereiten Projekten
Mit dem vorgesehenen Zahlungsrahmen für die Jahre 2025-2028 werden längstens nicht alle im BAV-Standbericht bis 2028 vorgesehenen Bahnhofsprojekte umgesetzt werden können. Dies zumal aus dem Bahninfrastrukturfonds auch der sehr hohe Bedarf an Substanzerhalt der Infrastruktur finanziert werden muss. Die von der Kommissionsminderheit geforderte Erhöhung um CHF 500 Mio. hätte ermöglicht, wenigstens die bereits baubereiten Projekte bis 2028 umzusetzen. Nun gibt es selbst bei diesen eine weitere Verzögerung. Wie Nationalrat Martin Candinas (Die Mitte/GR) im Rahmen der Debatte betonte, können ohne Zusatzfinanzierung alleine bei der SBB 17 baubereite Bahnhöfe in der Leistungsperiode 2025-2028 nicht an die BehiG-Vorgaben angepasst werden. Die Umsetzung der Barrierefreiheit wird dadurch um zusätzliche Jahre ins Hintertreffen geraten. Das ist nicht akzeptabel.
Nicht eingelöstes Versprechen
Die volle Barrierefreiheit im ÖV ist ein bis heute nicht eingelöstes Versprechen an die 1.8 Mio. Menschen mit Behinderungen in der Schweiz. Immer noch werden sie gezwungen, einen bedeutenden Teil ihrer Lebenszeit mit unnötigen Umwegen, Warten und Organisieren von Zugreisen zu verbringen. Dabei hätte die Umsetzung der BehiG-Anforderungen im ÖV bereits bis Ende 2023 abgeschlossen werden müssen. Von einem barrierefreien ÖV profitieren alle Benutzer:innen des ÖV – nebst Menschen mit Behinderungen insbesondere auch ältere Menschen oder Familien mit Kinderwagen. Es ist höchste Zeit, in dieser Sache vorwärts zu machen. Inclusion Handicap fordert im Rahmen der BehiG-Revision weiterhin eine neue Frist bis maximal 2030, verbindliche Zwischenziele und eine griffige Kontrolle sowie eine zweckgebundene Finanzierung der benötigten Mittel.