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Etappensieg beim Zeitzuschlag für den Numerus claususBGer heisst Beschwerde gegen Universität Bern gut

Bern, 07.05.2024 - Nach intensiver Beratung hat das Bundesgericht heute die Beschwerde von Marion Vassaux gegen die Universität Bern gutgeheissen und an das Verwaltunsgericht des Kantons Bern zurückgewiesen. Die Universität hatte der jungen Frau mit Dyslexie beim Numerus clausus für das Studium der Veterinärmedizin einen Zeitzuschlag verweigert. Dies ist nicht nur ein wichtiger Etappensieg für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und für ihre Organisationen, sondern auch eine Bestätigung für den grossen Mut und das Engagement der Beschwerdeführerin, die dieses Verfahren initiiert hat.

Marion Vassaux‘ Wunsch, Veterinärmedizin an der Universität Bern zu studieren, ist aktuell zwar vertagt – ein erster wichtiger Schritt wurde heute aber geschafft (siehe auch Medienmitteilung vom 25.05.2023). In einer öffentlichen Beratung im fast vollen Gerichtssaal in Lausanne (rund 100 Personen wohnten dem Entscheid bei) hiessen die Richter:innen die Beschwerde der jungen Frau gegen die Universität Bern gut. Zwar waren sie sich zuerst nicht einig, ob es sich bei der Verweigerung eines Zeitzuschlags um eine Diskriminierung handelt. Mit 3:2 Stimmen beschlossen sie nach einer hitzigen Debatte aber, die Beschwerde gutzuheissen und diese an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückzuweisen. Dieses muss nun eine unabhängige Expertise darüber einholen, ob ein Zeitzuschlag beim Numerus clausus dessen Prüfungszweck vereitelt. 

Beschwerde wird von Anfang an von zwei Richter:innen gestützt

Die Beschwerde von Marion Vassaux wurde von Anfang an durch die Richter:innen Yves Donzallaz und Florence Aubry Girardin gestützt. Sie bestätigten, dass durch die Verweigerung eines Zeitzuschlags eine Diskriminierung besteht. Beim Numerus clausus, der die Eingangstür zu den medizinischen Studiengängen bildet, sei die Gleichheit erst recht zu wahren. Insbesondere Frau Girardin äusserte ihr Unverständnis gegenüber den drei Richter:innen, welche die Beschwerde abweisen wollten. Ziel des Numerus clausus sei es, die qualifiziertesten Student:innen zu finden. Dies sei ohne Zweifel auch mit einem Zeitzuschlag möglich. Vor allem deshalb, weil dieser ausschliesslich die Lese- und Schreibstörung ausgleiche. Die mit dem Numerus clausus geprüfte Fähigkeit, auch unter Stress schnell zu denken und zu handeln, werde durch die Dyslexie in keiner Weise eingeschränkt. Die Gefahr einer Übervorteilung oder einer Überkompensation, welche die drei anderen Richter:innen vorbrachten, sahen Donzallaz und Girardin nicht. Richter Donzallaz zeigte sich sogar schockiert, dass man aus Furcht einer Überkompensation lieber die im Vergleich grössere Benachteiligung, die Unterkompensation einer Behinderung, aufrecht halte. Damit schliesse man systematisch eine Bevölkerungsgruppe vom Medizinstudium aus.

Nachteilsausgleich ist keine Bevorteilung

Der Nachteilsausgleich ist heute auf Ebene der Ausbildung rechtlich und faktisch breit anerkannt. Er soll die Chancengleichheit zwischen Student:innen mit und ohne Behinderungen gewährleisten und ausgleichen, dass Student:innen mit Dyslexie länger zum Lesen brauchen. «Ohne Nachteilsausgleich werden die tatsächlichen Fähigkeiten von Student:innen mit Dyslexie nicht repräsentiert und sie werden benachteiligt», sagt Cyril Mizrahi, prozessführender Anwalt von Inclusion Handicap. In Ländern wie Grossbritannien und den USA werden Zeitzuschläge in ähnlichen Prüfungssituationen selbstverständlich gewährt. 

Bedeutender Fall des Projekts «we claim»

Der Fall von Marion Vassaux ist einer der ersten grossen Fälle des Projekts «we claim». Dieses wird von Inclusion Handicap und seinen Mitgliederorganisationen getragen und hat das Ziel, Menschen mit Behinderungen mit dem Mittel der strategischen Prozessführung zu ihrem Recht zu verhelfen. Dabei sollen mit sogenannten Musterprozessen Urteile erwirkt werden, die eine Verbesserung der Lebensumstände von möglichst vielen betroffenen Menschen bewirken. We claim fordert Rechte ein und bewirkt Inklusion. Mehr zum Projekt erfahren Sie unter we-claim.ch (externer Link).

Auskunft

Caroline Hess-Klein, Abteilungsleiterin Gleichstellung Inclusion Handicap
076 379 94 72 / 

Cyril Mizrahi, Prozessführender Anwalt, Abteilung Gleichstellung Inclusion Handicap
079 412 21 80 /