Ständerätliche Kommission bestätigt Handlungsbedarf bei TabellenlöhnenMedienmitteilung vom 01.07.2022: Berechnung des IV-Grads
Die ständerätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-S) folgt dem Nationalratsentscheid und spricht sich für eine fairere Invaliditätsbemessung aus. Die bisher angewendeten statistischen Werte sind realitätsfern. Sie müssen nun nach dem Willen der Kommission überarbeitet werden. Inclusion Handicap begrüsst diesen Entscheid sehr. Eine Weiterentwicklung der Tabellenlöhne ist dringend notwendig.
Am 30. Juni 2022 behandelte die SGK-S die im Nationalrat eingereichte Kommissionsmotion «Invaliditätskonforme Tabellenlöhne bei der Berechnung des IV-Grads» (22.3377). Dabei geht es um die Ermittlung des Einkommens, das mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung noch erzielt werden kann. In zahlreichen Fällen wird dieses Einkommen bei der Berechnung des Invaliditätsgrads mit Hilfe von statistischen Werten (LSE-Tabellenlöhne) bestimmt. Diese sind jedoch realitätsfern. «Weil ihre Verdienstmöglichkeiten systematisch zu hoch eingeschätzt werden, erhalten Menschen mit Behinderungen keinen Zugang zu Umschulungen oder zu Renten. Das ist stossend», meint Matthias Kuert Killer, Leiter Politik bei Inclusion Handicap. Forschung und Lehre und auch die Behindertenverbände machen sich seit Jahren für eine Weiterentwicklung der Tabellenlöhne stark. Inclusion Handicap hatte die Kommissionsmitglieder im Vorfeld der Sitzung auf den dringenden Überarbeitungsbedarf hingewiesen. Der klare Entscheid der SGK-S stützt nun die Bemühungen der Behindertenverbände.
Dringend nötige Anpassungen
Die heutige Bemessungsgrundlage erfasst die Erwerbssituation von Menschen mit Behinderungen nicht richtig, denn sie bildet die Verdienstmöglichkeiten von gesunden Menschen ab. Als Folge wird das Lohnniveau von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen systematisch überschätzt. Dieses Problem wird auch durch existierende Korrekturinstrumente nicht gelöst (siehe dazu Kommentar iusNet). Nachdem 16 führende Sozialversicherungsrechtler:innen im Januar dieses Jahres die Dringlichkeit der Weiterentwicklung der Tabellenlöhne betonten, hatte sich der Nationalrat der Thematik angenommen. Er verabschiedete in der Sommersession eine entsprechende Kommissionsmotion ohne Gegenstimme. Stimmt der Ständerat in der Herbstsession zu, ist der Bundesrat aufgefordert, rasch für eine invaliditätskonforme Bemessungsgrundlage zu sorgen.
Realisierbare Lösungen liegen auf dem Tisch
Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch: Eine Arbeitsgruppe um Prof. em. Gabriela Riemer-Kafka legte ein Modell vor, das eine realistische Lohneinschätzung für Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung ermöglicht. Die verwendete Methodik ist mit geringen Anpassungen auch auf andere Behinderungsarten anwendbar. Faire Tabellenlöhne bei der Berechnung des IV Grads sind also nicht nur absolut notwendig – sondern auch umsetzbar.