Tabellenlöhne: Pauschalabzug von 10% ist deutlich zu tiefVernehmlassungsvorlage des Bundesrates
Bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades wird in vielen Fällen auf statistische Werte (sogenannte Tabellenlöhne) abgestellt. Da diese Tabellenlöhne auf den Einkommen von gesunden Personen basieren und die Einkommensmöglichkeiten von Personen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung dadurch substantiell überschätzt werden, resultieren deutlich zu tiefe Invaliditätsgrade. Die Folgen: Viele Personen erhalten keine Umschulungen oder keine bzw. zu tiefe IV-Renten. Das Parlament hat den Bundesrat daher beauftragt, invaliditätskonforme Tabellenlöhne zu erstellen, sich dabei auf anerkannte statistische Methodik und auf den Stand der Forschung abzustützen sowie den Lösungsvorschlag Riemer-Kafka/Schwegler miteinzubeziehen.
Am 5. April 2023 hat der Bundesrat seinen Vorschlag in die Vernehmlassung geschickt. Da er die Entwicklung invaliditätskonformer Lohntabellen gemäss dem Lösungsvorschlag Riemer-Kafka/Schwegler als zu komplex und zu aufwändig erachtet, möchte er die bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades angewendeten Tabellenlöhne pauschal um 10% reduzieren. Der Bundesrat gibt an, dass er bei der Festlegung der Höhe dieses Pauschalabzugs von den Erkenntnissen einer Studie des Büros BASS ausgegangen sei. Mit einem Pauschalabzug in der Höhe von lediglich 10% tut er dies aber nicht wirklich: Aus der vom Bundesrat zitierten Studie des Büros BASS und dem darauf basierenden Diskussionspapier geht vielmehr hervor, dass die Tabellenlöhne für alle um rund 17% gesenkt werden müssten und dass je nach Fallkonstellation zusätzlich noch individuelle Abzüge notwendig wären. Nur mit einem Pauschalabzug von 17% und einem zusätzlich zu berücksichtigenden individuellen Abzug resultieren Einkommensmöglichkeiten, die von Menschen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung realistischerweise auch erzielt werden können.
Inclusion Handicap bedauert, dass auf die Erarbeitung von empirisch basierten, invaliditätskonformen Lohntabellen gemäss Riemer-Kafka/Schwegler verzichtet wird, denn damit könnten die Einkommensmöglichkeiten von gesundheitlich beeinträchtigten Menschen und somit auch ihr Invaliditätsgrad genauer bestimmt werden – wobei gemäss Riemer-Kafka/Schwegler auch dann noch zusätzliche Faktoren zu berücksichtigen wären. Will man wirklich darauf verzichten und einen Pauschalabzug einführen, fordert Inclusion Handicap, dass umfassend auf die Studie des Büros BASS abgestellt wird. Demzufolge müsste ein Pauschalabzug von 17% (und nicht nur von 10%) eingeführt werden. Je nach Fallkonstellation müssten zusätzlich noch individuelle Abzüge möglich sein. Der Dachverband wird eine Vernehmlassungsantwort einreichen und steht interessierten Kreisen für weitere Informationen gerne zur Verfügung.