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Verkehrskommission behandelt Dosto-Beschwerde – Inclusion Handicap will Verzögerungen verhindern

Die Verkehrskommission des Nationalrates hat sich mit der Beschwerde von Inclusion Handicap gegen die befristete Betriebsbewilligung der neuen Dosto-Züge auseinandergesetzt. Inclusion Handicap hat in der schriftlichen Stellungnahme betont, dass der politische Dachverband kein Interesse hat, die Einführung der neuen SBB-Züge zu verzögern oder Mehrkosten zu generieren.

Ausgangslage

Inclusion Handicap hat gegen die befristeten Betriebsbewilligungen für die neuen Doppelstockzüge FV-Dosto Beschwerde eingereicht. Die Züge sind für zahlreiche Menschen mit Behinderungen nicht selbstständig benutzbar. Dadurch werden sie in ihrer Teilhabe an der Gesellschaft wesentlich eingeschränkt. Dies verletzt das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) und die UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK). Inclusion Handicap hat kein Interesse daran, die Einführung der neuen Züge zu verzögern. Hingegen ist es als Dachverband der Behindertenorganisationen unsere Pflicht und Verantwortung, auf die Beseitigung dieser Mängel hinzuwirken. Aufgrund des bisher leider ungenügenden Miteinbezugs blieb Inclusion Handicap nur der Weg über eine Beschwerde, um die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen durchzusetzen und sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderung die Züge im Alltag selbstständig benützen können.

Die Kritikpunkte

Inclusion Handicap hat in der Beschwerde insgesamt 15 Rechtsbegehren gestellt. Hier sind exemplarisch vier Mängel genannt:

  • Reisende im Handrollstuhl können den Zug nicht selbstständig verlassen, da die Neigung nach oben zum Perron zu hoch ist.
  • Die Türöffnungstasten im Zug können von Rollstuhlfahrerinnen und -fahrern aufgrund ihrer Positionierung gar nicht erreicht und bedient werden.
  • Zu kurzer Treppenhandlauf beim Ein- und Ausgangsbereich: Die Haltestange bei der Treppe führt nicht bis zur Türe. Dies ist z.B. für blinde Reisende ein Sicherheitsrisiko.
  • Zu starke Blendung der Monitore: Die Monitore erzeugen eine starke Spiegelung im Zug, womit die Informationen teilweise nicht lesbar sind. Dies ist insbesondere für Menschen mit einer Hörbehinderung ein grosses Problem, da sie im Gegensatz zu anderen Reisenden nicht auf die akustische Information über Lautsprecherdurchsagen ausweichen können.

Ungenügender Einbezug der Behindertenorganisationen

Inclusion Handicap setzt sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen den öffentlichen Verkehr selbstständig nutzen können, so wie es das BehiG verlangt. Deshalb ist der Dachverband der Behindertenorganisationen an einer guten, engen und konstruktiven Zusammenarbeit mit den SBB sehr interessiert. Vertreterinnen und Vertreter der Behindertenorganisationen nehmen Einsitz in diverse Gremien, wie dem Behindertenbeirat der SBB oder der Facharbeitsgruppe Rollmaterial. Dort haben sie im Zusammenhang mit dem Dosto-Projekt Informationen von den SBB erhalten, wie dies Inclusion Handicap auch ausdrücklich in der Beschwerde erwähnt. Leider fanden die VertreterInnen der Behindertenorganisationen dort aber zu wenig Gehör, weshalb die Beschwerde unumgänglich wurde.

Im Folgenden ausgewählte Ereignisse in chronologischer Reihenfolge:

  • 2010 genehmigte das BAV das Pflichtenheft und die Typenskizze des neuen Zuges. Den Behindertenorganisationen stand dort bereits das Verbandsbeschwerderecht nach BehiG zu. Davon machte Inclusion Handicap für diejenigen Mängel Gebrauch, die aus diesen Unterlagen ersichtlich waren, und für die man in Gesprächen mit den SBB keine Lösung fand. Die Mängel, die in der aktuellen Beschwerde thematisiert werden, waren aus dem Pflichtenheft und der Typenskizze nicht ersichtlich.
  • 2011 fanden drei Maquettenbegehungen statt. Eine Maquette ist kein «richtiger Zugswagen», sondern eine Art Modell. Diejenigen Punkte, die Inclusion Handicap in der aktuellen Beschwerde moniert, waren nicht Gegenstand dieser Begehungen; es war damals auch nicht möglich, sie als problematische Punkte zu erkennen. So bestand z.B. der Eingangsbereich aus einer provisorischen Holzkonstruktion, und es waren auch keine Monitore installiert.
  • Seit 2014 forderten die BehindertenvertreterInnen in den Gremien (Facharbeitsgruppe Rollmaterial und Behindertenbeirat der SBB) wiederholt eine Begehung der Zugswagen, wie dies aus diversen Protokollen der SBB ersichtlich ist. Es wurde namentlich eine Begehung des ersten Wagens im Rohbau verlangt. So hätten sie sehr früh auf allfällige Probleme, heikle Punkte und Herausforderungen hinweisen können. Sie wurden von Seiten der SBB jedoch immer wieder auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet.
  • Zur spezifischen Problematik der zu steilen Rampe vor der Türe: Aus dem Protokoll einer Sitzung des Behindertenbeirates im Februar 2014 ist ersichtlich, dass die SBB mitteilte, die Steigung betrage maximal 8 Prozent. Bereits diese Steigung wurde von Seiten der BehindertenvertreterInnen als problematisch erachtet, was den SSB auch mitgeteilt wurde. Die jetzigen Züge weisen eine Steigung von 14 Prozent auf!
  • Die lange geforderte Begehung fand schliesslich am 22. Dezember 2017 statt – nachdem schon einige Züge fertiggebaut waren und das BAV bereits provisorische Betriebsbewilligungen erteilt hatte. Am Freitag, 12. Januar 2018 um ca. 18.00 Uhr, teilten die SBB Inclusion Handicap mit, dass die Mängel, welche sich anlässlich der Begehung gezeigt hatten, nicht behoben würden. Die Beschwerdefrist lief am Montag, 15. Januar 2018 ab.

Aufgrund dieses Hergangs blieb Inclusion Handicap keine andere Wahl, als die Beschwerde einzureichen, da die Züge die Anforderungen des BehiG nicht erfüllen. Zu betonen ist, dass sich BehindertenvertreterInnen von Anfang an in den entsprechenden Gremien des Dosto-Projekts engagiert und sich zu jedem Zeitpunkt nach ihren Möglichkeiten eingebracht haben. Wir bedauern sehr, dass die Hinweise für die behindertengerechte Gestaltung unberücksichtigt blieben und damit der Einbezug der BehindertenvertreterInnen durch die SBB in den monierten Punkten als ungenügend zu bezeichnen ist. Allfällige Verzögerungen und Mehrkosten bedauern wir; diese haben sich jedoch SBB und Bombardier selbst zuzuschreiben.

Die Verantwortung für die korrekte Umsetzung des BehiG tragen die SBB und Bombardier. Der Gesetzgeber hat den Behindertenorganisationen das Verbandsbeschwerderecht eingeräumt, damit sie Beschwerde erheben können, wenn die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllt sind. Davon musste Inclusion Handicap nun nach sorgfältiger Abwägung Gebrauch machen.

In den Medien wurde vereinzelt darüber berichtet, dass die Züge nicht ins Ausland fahren können, falls Inclusion Handicap vor Bundesverwaltungsgericht Recht erhalte. Hierzu ist dezidiert festzuhalten: Autonomes Aussteigen von Personen im Handrollstuhl in der Schweiz einerseits und der Einsatz der Züge im Ausland andererseits schliessen einander keineswegs aus. Beide Ziele hätten von Anfang an konsequent verfolgt, und die hierzu notwendigen technischen Lösungen entwickelt werden müssen. Es liegt nun in der Verantwortung von SBB und Bombardier, den technischen Spielraum auszuschöpfen.

Weiteres Vorgehen

Die Präsidentin von Inclusion Handicap, Ständerätin Pascale Bruderer, hat in einem Schreiben vom 5.2.2018 an den CEO der SBB, Andreas Meyer, angeboten, dass Inclusion Handicap die Beschwerde zurückziehe, wenn sich die SBB dazu verpflichte, die gerügten Mängel zu beheben. So könnte verhindert werden, dass die Inbetriebnahme der neuen Züge verzögert wird.

Inclusion Handicap wird sich weiterhin für die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben nach BehiG und UNO-BRK einsetzten. Damit dies effizient und zielgerichtet geschieht, hat der Dachverband der Behindertenorganisationen nach wie vor ein grosses Interesse an einer engen und konstruktiven Zusammenarbeit mit den SBB sowie anderen Transportunternehmen.